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Die deutschen Bibeln aus Germantown - die "Sauer-Bibel"

In Pennsylvania wird 1743 die erste Bibel in europäischer Sprache in Amerika gedruckt

 

Saur-Bibel 1743 - Original aus der Bibelsammlung der Landesbibliothek Stuttgart

 

 

„Sauer-Bibel“

Biblia – Heilige Schrift

Germantown (Pennsylvania/ USA) 1743

Erste in Nordamerika gedruckte Bibel in einer europäischen Sprache!

 

 

1683 wandern 13 Krefelder Familien (Mennoniten) nach Amerika aus und gründeten „Deitscheschteddel“, also „Deutschenstädtlein“ - englisch: „Germantown“ (Stadt der Deutschen), einen Vorort im Norden Philadelphias im Staat Pennsylvania. Weitere Deutsche folgten, denn Pennsylvania bot nach dem Willen des Gründers Wiliam Penn Freiheit und Toleranz in Glaubensangelegenheiten. 

 

So wanderte 1724 auch Johann Christoph Sauer (1695-1757), ein Schneider aus Ladenburg in der Kurpfalz nach Pennsylvania aus. In seinen Briefen an Freunde in Wittgenstein schilderte er seine Überfahrt und das Leben in den Neuen Welt. Diese positiven Schilderungen führten zur Auswanderung vieler weitere Deutscher nach Amerika, die ihren Glauben frei leben wollten.

 

Zuerst arbeitet Sauer als Schneider – aber dann auch als Uhrmacher und Buchhändler für christliche Literatur und er bildete sich quasi als Autodidakt zum Drucker fort. Da Sauer pietistischen und täuferischen Gruppen nahestand, importierte und verkaufte er Exemplare der damals gern gelesenen Berleburger Bibel (kommentierte Studienbibel). Seine Geschäftsidee war es, die Cansteinsche Bibel (Halle) nachzudrucken und ihr die bei Pietisten beliebten Anhänge der Berleburger Bibel (3. und 4. Buch Esra, 3. Buch der Makkabäer) anzufügen. Er wollte so eine Bibel drucken, da "so viel arme Teutsche in diß Land kommen, welche nicht alle Biebeln mit sich bringen" (Vorwort aus seiner Bibel von 1734).

 

So bemühte sich Sauer ab 1735 eine Druckerei aufzubauen. Die Druckpresse kam aus Deutschland vom Fürsten Wittgenstein aus Berleburg und die Schrifttypen (Fraktur-Lettern) 1738 von der berühmten Schriftgießerei Egenolff in Frankfurt. Diese Schriftgießerei gehörte damals Heinrich Ehrenfried Luther (1700 – 1770), einem weitläufigen Verwandten  des berühmten Reformators Martin Luthers, der enge Kontakte zu den deutschen Aussiedlern in Amerika hielt und Sauer unterstützte. Die Tinte stellte Sauer selber her. Er verkaufte sie schließlich als „Sauers neugieriges Pennsylvania-Tintenpulver“.

 

Bereits 1738 konnte Sauer seinen ersten jährlich erscheinenden „Hoch-Deutschen Amerikanischen Kalender“ herausbringen. 1739 druckte er dann erstmals eine Zeitung, die als „Germantowner Zeitung“ bekannt wurde. Sie erschien ab 1741 monatlich und von 1756 14-täig als „Der Hoch-Deutsch Pensylvanische Geschicht-Schreiber“ bzw. seit 1745 unter dem Titel „Pensylvanische Berichte“ und von 1762-1777 als „Germantowner Zeitung“

 

Seinen Bibeltraum einer Cansteinschen Bibel mit den Anhängen der Berleburger Bibel (3. und 4. Buch Esra, 3. Buch der Makkabäer) ging 1743 - 60 Jahre nachdem sich die ersten deutschen Siedler in Pennsylviana niedergelassen hatten - in Erfüllung. Seit 1741 hatte Sauer um Subskribenten für das ehrgeizige und sehr teuere Projekt geworben (siehe Bild oben links "Bekanntmachung"). Nach drei Jahren war es geschafft! Diese nicht ganz orthodoxe Lutherbibel-Edition (basierend auf der 34. Auflage der Canstein-Bibel von 1738) erschien in einer Auflage von 1200 Exemplaren.

 

Sie war die erste Bibel in einer europäischen Sprache, die in Amerika gedruckt wurde. Pfarrer in den deutschen Gemeinden jedoch warnten vor der Sauer Bibel gerade wegen dem Zusatz dieser drei apokryphen Bücher, die sonst nicht in Luther-Bibeln abgedruckt waren. Die Warnung scheint Erfolg gehabt zu haben, denn erst 20 Jahre später, 1763 erfolgt eine 2. Auflage der Sauer-Bibel.

 

Als Dank für die Hilfe aus Deutschland schickte Sauer 12 Exemplare in die alte Heimat zurück. Das Schiff wurde von Piraten gekapert und die Ladung verkauft. Luther gelang es die Exemplare anzukaufen. Sein persönliches Exemplar und weitere Drucke verkauften die Nachfahren 2016 für 80.000.-€ an das Historische Museum Frankfurt.

 

Sauers Sohn, Christoph Sauer II (1721-1784), der auch als Ältester der pietistischen Dunker-Gemeinde in Germantown amtierte, druckte 1763 die zweite Auflage der Sauer-Bibel. Dies ist die erste Bibel, die in Amerika gedruckt wurde mit Papier, das dort hergestellt worden war. Die Auflage betrug 2000 Exemplare. 1773 folgte eine dritte Auflage. Sie erschien im Jahr der Revolution in einer Auflage von 3000 Exemplaren. Am 4. Oktober 1777 fand bei Germantown eine der schwersten und bekanntesten Schlachten des Unabhängigkeitskriegs statt. Dabei geriet Sauer zwischen alle Fronten. Während der britischen Besatzung von Philadelphia (Stadt in Pennsylvania) druckte Sauer eine englische Zeitung für sie. Er hatte zudem auch Aufrufe der Quäkergemeinde, den Frieden zu wahren, veröffentlicht. „Die Revolutionstruppen konfiszierten die Mehrzahl der Druckbögen und benutzten das Papier zum Stopfen des Schießpulvers in ihren Gewehrläufen.“ Man sagt, die allermeisten Exemplare seien dabei vernichtet worden. Doch auf Auktionen erscheinen immer wieder mal Exemplare dieses Druckes. Etliche haben also „überlebt“.

 

In der Deutschen Biographie wird berichtet: „Christoph II zeigte bis 1775 Sympathie für den Widerstand der Amerikaner gegen die brit. Regierung, lehnte die Unabhängigkeit der Kolonien jedoch ab. Während der brit. Okkupation Philadelphias im Winter 1777/78 arbeiteten seine Söhne Christoph III und Peter für die Besatzungsmacht, weshalb Christoph II und sein gleichnamiger Sohn 1778 vom Staat Pennsylvania als Hochverräter angeklagt und ihre Vermögenswerte konfisziert wurden. Christoph III erlangte 1784 in England die Anerkennung als Loyalist und eine Entschädigung für die in Amerika erlittenen Verluste.“

 

Bekannt ist, dass sich Christoph Sauer II nach dem Abzug der Briten weigerte, dem Staat den Treueeid zu leisten. Er wurde daher als Kollaborateur eingestuft und sein Eigentum und seine Güter wurden konfisziert und verkauft. Er starb 1784 als ruinierter Mann. Sein Haus wurde 1860 durch das an die Trinity Lutheran Church angeschlossene Kirchenhaus ersetzt.

 

Alle Sauerbibeln sind heute gesuchte Raritäten und nicht selten kosten Exemplare einen hohen vierstelligen, mitunter fünfstelligen Betrag.

 

Für die wandernde Qumran- & Bibelausstellung Sylt konnte ich vor einiger Zeit mit großer Unterstützung einer Gönnerin, die 2. Auflage der Sauer-Bibel von 1763 erwerben, sowie das Titelblatt der 1. Auflage von 1743. HERZLICHEN DANK!

 

In Deutschland gibt es - soweit mir bekannt - nur ein weiteres Exemplar einer Sauer-Bibel in Privatbesitz. Diese besondere Sauer-Bibel von 1763 und das Titelblatt der Erstauflage von 1743 kann im Rahmen einer Bibelausstellung bei mir ausgeliehen werden.

 

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Studie zum Leben von Christoph Sauer --> HIER

 

Die spannende Geschichte der Saur-Bibel --> HIER

 

12 Exemplare werden nach Deutschland geschickt und von Piraten geraubt --> HIER

 

zu Christoph Sauer und seiner dramatischen Familiengeschichte durch die englische Besatzung --> HIER

 

Sie können die 2. Auflage der Saur-Bibel von 1763 digital --> HIER <-- durchblättern

 

Zeitungsbericht von 1927 --> HIER

 

(leider hat die Bibelausstellung Sylt kein Exemplar der Saur-Bibel von 1743 ... ein großer Traum - die 2. Auflage von 1763 konnte durch die wunderbare Unterstützung einer Gönnerin erworben werden)

 

GERMANTOWN - Geschichte: "Wie Deutsche Amerika prägten" - sehr guter Artikel in der WELT -- 13 deutsche Familien gründeten die erste deutsche Siedlung in Nordamerika und nannten sie Deitscheschteddel, also „Deutschenstädtlein“. Englischer Name: Germantown

 

 

Auszug aus mennlex.de

Eine übergemeindliche Organisation wurde bis in die 1740er Jahre für nicht notwendig erachtet. Die Bemühungen Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorfs in dieser Zeit, alle Deutsche in Amerika in einer Großkirche zu vereinen, wurden von den Brethren abgelehnt. Die Konfrontation mit Zinzendorf wurde aber Ansporn für die Brethren, die eigene Identität durch eine intensivere Kirchenzucht zu wahren. Im Frühjahr 1742 wurde eine Yearly Meeting (Jahresversammlung aller Mitglieder) eingeführt, um die Kirchenzucht zu stärken. Diese Institution existiert heute als „Annual Conference“ (Jahreskonferenz) und gilt als die höchste Leitungsinstanz dieser Kirche.

Besonders wichtig für die Brethren war in dieser Zeit die Sauer-Familie und ihre Druckerei. Johann Christoph Sauer wurde 1695 als Sohn eines reformierten Pastors in Ladenburg (Pfalz) geboren. Er machte Bekanntschaft mit den Brethren (und auch mit Beissel), bevor er 1724 mit seiner Familie nach Germantown kam. Eine Zeit lang wohnte er am Mill Creek in der Nähe Beissels, kehrte aber 1738 zurück nach Germantown, wo er eine Druckerei eröffnete. Seine Presse stammte möglicherweise aus Berleburg; seine Lettern kamen aus Frankfurt. Damit erreichte er eine Monopolstellung als Drucker deutscher Literatur. Sein wichtigstes Erzeugnis war ein Druck der gesamten deutschen Bibel (1743). Er war Separatist, sympathisierte mit den Brethren (obwohl er nie Mitglied war), war Pazifist und unterstütze die Quäker-Gruppe im pennsylvanischen Parlament. Er fand auch Gegner: Benjamin Franklin und den Lutheraner Heinrich Mel. Mühlenberg. Sauer starb 1758, seine Druckerei wurde aber von seinem Sohn Christoph übernommen. Er beerbte auch den Einfluss seines Vaters und wurde Mitglied der Kirche der Brüder (Prediger 1748, Ältester 1758). Er setzte sich nachhaltig für den Frieden und für öffentliche Erziehungseinrichtungen ein. Er wandte sich auch gegen die Sklaverei.

Christoph Sauer und viele andere Brethren wurden schließlich Opfer der Kriegswirren (1774–1781). Die Kirche blieb ihren Prinzipien treu und fand in den Quäker-Politikern des Parlaments Verbündete. Sie hielt sich aber aus der Politik heraus und fand keinen Grund, gegen die englische Krone zu agitieren. Die Revolutionskräfte versuchten, sie auf ihre Seite zu ziehen, einen Eid auf die neue Republik zu leisten und Kriegssteuern zu entrichten. Der Eid wurde 1778–1779 von der Jahresversammlung verboten. Die Brethren, die den Eid verweigerten und keine Kriegssteuern zahlten, wurden mit Geldbußen und Konfiskationen drangsaliert. Misshandlungen durch die Bevölkerung waren keine Seltenheit. So kam Christoph Sauer 1778 in Haft, wurde öffentlich geteert, gefedert und verlor sein Haus und sonstigen Besitz. Er starb 1784 als armer Mann.

Trotz der Repressionen versuchten die Brethren, ihren Prinzipien treu zu bleiben. An vielen Stellen halfen sie den Kriegsgeschädigten und Armgewordenen auf beiden Seiten. Sie sprachen sich auch gegen den Krieg aus. Zusammen mit Mennoniten richteten sie 1777 eine Petition an die Assembly (Parlament) in Pennsylvania und brachten ihre Überzeugung zum Ausdruck, das Leben zu bewahren und nicht zu zerstören – ein Zeugnis gegen den Krieg. Im Allgemeinen aber lehrten sie ihre Erfahrungen in dieser Zeit, sich getrennt von der Gesellschaft fernzuhalten.