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QUMRAN & DIE SCHRIFTROLLEN VOM TOTEN MEER

Zum Tod von Prof. Dr. Claus-Hunno Hunzinger - Pionier der Qumranforschung verstorben

On the death of university professor Dr. theol. Claus-Hunno Hunzinger

 

(english summery)

 

The last eyewitness and pioneer of Qumran research Prof. Dr. Claus-Hunno Hunzinger died on January 6th, 2021. From 1954 to 1957 he was the only German scholar in the International Dead Scrolls Team to research the manuscript finds from the Dead Sea (Qumran finds) in Jerusalem. From 1959 to 1960 he taught as a visiting professor in Madison. In 1962 he became an associate professor in Hamburg. Since 1968 he has been a full professor for the New Testament and the history of religion in late antiquity at the University of Hamburg (retired 1991). The Qumran scholar was 91 years old. He had survived the first Corna wave in March unscathed. But this time the virus has found its way into the senior citizens' residence in Hamburg. On December 31 It was found that he and 20 other residents of the old people's home had contracted the corona virus. His wife had died the year before last. He had met her in Jerusalem while he was working on the Qumran scripts. We wanted to surprise him this year with a commemorative publication from the "Qumran Chronicle" - now it will be a memorial publication.

 

For an english article about his life as a member of the Dead Sea Scrolls Team see here the report in the --> Qumran Chronicle <-- in his own words.

 

 

Report in the -> Jerusalem Post

 

Zum Tode von Universitätsprofessor Dr. theol. Claus-Hunno Hunzinger

 

Der letzte Augenzeuge und Pionier der Qumranforschung Prof. Dr. Claus-Hunno Hunzinger ist am 6.1.2021 verstorben. Von 1954 bis 1957 war er der einzige deutsche Wissenschaftler in dem Internationalen Schriftrollenteam zur Erforschung der Handschriftenfunde vom Toten Meer (Qumranfunde) in Jerusalem. Von 1959 bis 1960 lehrte er als Gastdozent in Madison. 1962 wurde er außerordentlicher Professor in Hamburg. Seit 1968 wurde er ordentlicher Professor für Neues Testament und spätantike Religionsgeschichte an der Universität Hamburg (emeritiert 1991).

 

Der Qumranforscher wurde 91 Jahre alt. Die erste Cornawelle im März hatte er unbeschadet überstanden. Doch diesmal hat der Virus Eingang in die Seniorenresidenz in Hamburg gefunden. Am 31.12. stellte man fest, dass er mit 20 weiteren Bewohnern des Altenheims den Coronavirus bekommen hatte. Seine Frau war bereits im vorletzten Jahr verstorben. Er hatte sie in Jerusalem bei seinen Arbeiten an den Qumranschriften kennengelernt. Wir wollten ihm dieses Jahr mit einer Festschrift vom "Qumran Chronicle" überraschen - nun wird es eine Memorialschrift.

 

Möge der HERR ihm gnädig sein!

 

Im November 2018 gab Prof. Hunzinger dem National Geograpic sein letztes öffentliches Interview über seine Arbeit an den Schriftrollen vom Toten Meer und die religionsgeschichtliche Bedeutung seiner Entzifferungen. Der Artikel wurde mit Fotos aus seinem Archiv illustriert und kann hier gelesen werden -> National Geograpic <--

Seit 30 Jahre verband mich mit Prof. Hunzinger eine große Qumranfreundschaft. Das kleine Foto zeigt uns im September 2018 vor der Hamburger Seniorenresidenz. In den Büchern "Jesus und die Schriftrollen von Qumran", "Faszination Qumran", "Auf der Suche nach der Urbibel" und "Das wahre Sakrileg" habe ich seine Qumranforschungen beschrieben. Mit ihm verliert die Qumran- & Bibelausstellung Sylt einen großen Freund und Förderer und ich einen „Mentor“. Immer wieder war der „Baron of Qumran“ bereit, auch in Gemeinden im Rahmen der Bibelausstellung über die Qumranforschung zu berichten.

 

Seine historischen Foto aus der Zeit in der "Scrollery" im Palestine Archaeological Museum (PAM / heute: Rockefeller Museum) erschienen 2019 in dem Ausgrabungsband von Humbert, Jean-Baptiste / Fidanzio, Marcello (Hrg): Qumran Cave 11Q Archaeology and New Scroll Fragments [Khirbet Qumrân and Aïn Feshkha. IV A].- V&R Göttingen 2019, hier: Manuscripts from Cave 11Q: Photo Collections by Hunzinger and Allegro, S. 191-197.

 

Auch im ZDF (Terra X) oder NOVA (USA) wurden in Qumrandokumentationen seine historischen Fotos ausgestrahlt.

 

Zum Symposium seines 80. Geburtstages wurde seine Qumrangeschichte 2009 im Qumran Chronicle (Vol. 17) ausführlich beschrieben. Den englischen Artikel können Sie hier --> downloaden <--

 

Da Prof. Hunzinger nach dem Tod von Prof. Frank M. Cross (-->HIER<--) der letzte lebende Mitarbeiter aus dem Internationalen Schriftrollenteam war, besuchten ihn 2015 Pnina Shor (damals Leiterin der Konservierungsabteilung der Qumrantexte von der Israelischen Antikenbehörde) und 2018 Dr. Yosha Al Amri (Kurator des Neuen Archäologischen Museums in Amman) in Hamburg. Stundenlang wurde Prof. Hunzinger über seine Arbeiten in den 1950’er Jahren befragt. Wir haben die Begegnungen auf Video aufgezeichnet, und hoffen diese veröffentlichen zu können.

 

Qumran – ein Jahrtausendfund!

In den Jahren 1947-1956 wurden in elf Höhlen über 1000 Schriftrollen entdeckt, die überwiegend aus der Zeit des 3.-1. Jahrhunderts v.Chr. stammen. Unter den Texten befanden sich über 300 Abschriften fast aller biblischer Bücher des Alten Testaments (AT). Diese Texte der hebräischen Bibel sind über 1.000 Jahre älter, als die bis dahin bekannten kompletten hebräischen Handschriften des AT. Die Bibelabschriften belegen, wie hervorragend der hebräische Text des AT überliefert ist --> HIER<--.

In Detailfragen helfen die Qumranrollen den originalen Urtext zu rekonstruieren. In viele moderne Bibelübersetzungen sind die Ergebnisse der Textforschung an den biblischen Qumrantexten schon eingeflossen.

(Ausführlicher Artikel --> HIER <--)

 

Neues Licht auf das Neue Testament

Neben Abschriften der biblischen Bücher entdeckte man Hunderte von unbekannten Texten, die uns ein Fenster in die Antike öffnen. Die theologische Bedeutung der Qumrantexte für das Verständnis des Neuen Testaments ist enorm. Ein Beispiel: Man hat meist angenommen, der Messias sei im Frühjudentum nicht als „Sohn Gottes“ bezeichnet worden, während das im Neuen Testament oft geschieht. Das sei heidnisch- griechischer Einfluss. Hier fordert die Entdeckung des Qumrantextes 4Q246 zu einem Umdenken, denn der wichtigste Textabschnitt lautet: „Sohn Gottes wird er genannt werden, und Sohn des Höchsten wird man ihn heißen.“ Diese Formulierung erinnert an die Worte des Engels an Maria: „Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden …und er wird Sohn Gottes geheißen werden “ (Lukas 1,32-35). Das Qumran-Fragment 4Q246 zeigt also, wie an einer wichtigen Stelle der lukanischen Geburtsgeschichte die Sprache nicht etwa heidnisch-griechisch, sondern palästinisch-jüdisch ist.

 

 

Die Mahlfeiern in Qumran - kommt daher unser "Abendmahl"

Seit Beginnn der Qumranforschung wurden die Essener als Vorläufer des Christentums angesehen. So wurde u.a. behauptet, man habe in Qumran schon das Abendmahl hekannt. Dieser Behauptung widersprach Prof. Hunzinger als Qumranwissenschaftler energisch, denn die Mahlgemeinschaft ist das Zentrum des jüdischen Lebens. Der Segensspruch über Brot und Wein entspricht der jüdischen (biblischen) Tradition, Gott für die Gaben zu danken. Ein solches Dankgebet spricht auch Jesus bei seinem letzten Abendmahl. Neu ist allerdings die radikale Deutung des Abendmahls durch Jesus Christus. Die Teilnahme am Abendmahl symbolisiert die Teilnahme an seinem Leiden an seiner Auferstehung. In diesem -->Video<-- klärt Prof. Hunzinger fachkundig auf.

 

Neues Licht auf das antike Judentum

Der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus (37-100 n.Chr.) schreibt über die Essener, die in Qumran eine Siedlung unterhielten: „Auf eine eigentümliche Art verehren sie die Gottheit. Bevor nämlich die Sonne aufgeht, sprechen sie kein unheiliges Wort, sondern sie richten an das Gestirn gewisse altherkömmliche Gebete, als wollten sie seinen Aufgang erflehen." (Jüdischer Krieg II, 8, 5)

 

Diese Aussage von Josephus hat schon immer verwundert. Wieso sollte eine so streng religiöse jüdische Gemeinschaft, wie die Essener „an das Gestirn gewisse altherkömmliche Gebete“ richten? Dies würde den Geboten der Bibel total widersprechen! Prof. Hunzinger konnte bei der Rekonstruktion einiger Papyrusfragmente (siehe Bild oben und -->HIER<--) – den sog. Morgen- und Abendgebeten (4Q503) - aufzeigen, dass Josephus Richtiges mit Falschem vermischt hatte. So beteten die Essener nicht die Sonne an sondern bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang sollten sie den Schöpfer anbeten. Die Gebete beginnen mit den Worten: „Gepriesen sei der Gott Israels …"

 

Besteller „Verschlußsache Jesus“

Prof. Hunzinger und seine Kollegen aus dem Schriftrollenteam sind von dem Besteller „Verschlußsache Jesus“ beschuldigt worden, im Auftrag des Vatikans, die Herausgabe der Qumranschriften verhindern zu wollen. Angeblich würden die Qumrantexte Geheiminformationen über Jesus und das frühe Urchristentum enthalten. Diese wissenschaftlichen unhaltbaren Phantastereien sind schon seit Jahrzehnten widerlegt, dennoch werden die Thesen immer wieder erfolgreich aufgewärmt, wie zuletzt in dem Weltbestseller „Sakrileg“ (Da Vinci Code). Für Prof. Hunzinger waren die Qumrantexte ein wunderbares „Geschenk des Himmels“, da man durch die Texte, zu Zeitgenossen Jesu werden würde. Sein Kommentar zu diesen reißerischen Bestellern: „Die Leute sind von einer solchen religiösen Ahnungslosigkeit, dass sie jeden Blödsinn glauben. Hauptsache es geht gegen den Vatikan!“

 

Sehen und hören Sie -->HIER<-- Prof. Hunzinger. Es gibt keine Verschlußsache Jesus!

 

Heute sind alle Qumrantexte veröffentlicht aber die Forscher der ersten Stunde verdienen eine besondere Würdigung, denn ihre Pionierarbeit hat ganze Generationen von Forschern beflügelt.

 

Mit Prof. Hunzinger verstarb nun der letzte Wissenschaftler, der zu den Augenzeugen der ersten Stunde gehörte!

 

Bericht in der -> Jerusalem Post