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1859 entdeckt Tischendorf den größten Teil des Codex Sinaiticus

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Die Entdeckung des Codex Sinaiticus in Tischendorfs eigener Beschreibung:

 

'Des Nachmittags [am 4. Februar 1859] machte ich mit dem Oekonom des Klosters einen Spaziergang auf die Berge, wobei wir im Gespräche auf die Uebersetzung der Septuaginta [das Alte Testament auf Griechisch] kamen. Ich hatte nämlich von meiner Ausgabe derselben sowie von meinen Ausgaben des Neuen Testaments den Klosterbrüdern mehrere Exemplare mitgebracht. Nach der Rückkehr ins Kloster traten wir in die Zelle des Oekonom ein. Hier, sagte derselbe habe auch ich eine Handschrift der Septuaginta; er holte sie, eingeschlagen in ein rothes Tuch, aus einem Winkel herbei, und legte sie vor mich auf den Tisch. Ich öffnete das Tuch, und erblickte was alle meine Erwartungen übertraf. [...] Und wie ich sogleich bemerkte, waren es nicht nur die von mir im Jahre 1844 aus dem Korbe geretteten Bücher des Alten Testaments, sondern auch, was noch von viel grösserer Wichtigkeit, das ganze Neue Testament, auch nicht durch die geringste Lücke entstellt, ja sogar noch bereichert durch den vollständigen Brief des Barnabas sowie, wie ich erst später bemerkte, durch den ersten Theil vom Hirten des Hermas.Den mächtigen Eindruck, den dieser Fund auf mich machte, vermochte ich nicht zu verhehlen. Ich trug das Buch [...] sogleich in meine eigene Zelle. Hier erst kam es mir zum vollen Bewusstsein, wie gross der Schatz sei, den ich in Händen hielt; Lob und Dank brachte ich dem Herrn dar, der damit Kirche und Wissenschaft und meine eigene in ihrem Dienst stehende Forschung so herrlich beschenkt. Gleich die erste Nacht schrieb ich den Barnabasbrief ab; denn neben einem solchen noch ungehobenen christlichen Schatz zu schlafen, schien mir eine Sünde.'

 

[Konstantin Tischendorf, Vorworte zur Sinaitischen Bibelhandschrift, Leipzig 1862, S. 11-12]