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1534 - "Bugenhagen-Bibel" / "Lübecker-Bibel"

diese niederdeutsche Bibel kam noch vor Luthers hochdeutscher Version heraus!

Fotos: Exemplar der Bibelsammlung der Landesbibliothek Stuttgart mit freundlicher Genehmigung von Dr. Eberhard Zwink

 

Biblia germanica inferior

Niederdeutsche (Bugenhagen-) Bibel 

Lübecker-Bibel 1534

"übersetzt" von Johannes Bugenhagen ("Pomeranus")

Gedruckt in Lübeck von Ludwig Dietz 1533/(1534)

 

Beschreibung aus Katalog "Gottes Wort in der Sprache des Volkes"

 

„Dies ist die erste vollständige Bibel in niederdeutscher (plattdeutscher) Sprache auf der Grundlage der Übersetzung Martin Luthers und seiner Wittenberger Mitarbeiter. Ihr waren seit 1523 mehrere, jeweils überarbeitete Ausgaben von Luthers Neuem Testament und von Teilen seines Alten Testaments auf Niederdeutsch vorausgegangen. Johannes Bugenhagen schreibt hier in seinem kurzen Vorwort (Bl. *5v), dass die Übersetzung (vth­leggynge) Martin Luthers in dessen Auftrag (beuele) aus dem Hochdeutschen ins Niederdeutsche (Sassesche duedesch) übertragen (vthgesettet) worden sei. Wer diese Bearbeitung vorgenommen hat, sagt er nicht und ist auch aus anderer Quelle nicht bekannt, wohl aber ist anzunehmen, dass Bugenhagen dabei mit seinem Rat geholfen hat. Er selbst habe, so teilt er im Vorwort mit, zu vielen Stellen vnderrichtingen verfasst. Damit sind die Erläuterungen auf den Seitenrändern gemeint. Am Anfang steht die theologische Vorrede Luthers in der Gestalt, wie sie erstmals in seiner ersten Teilausgabe des Alten Testaments mit den fünf Büchern Mose 1523 (= VD16 B 2894 = Pietsch A 4) erschien und bis 1533 wiederholt unverändert nachgedruckt wurde.

Auch wenn die niederdeutsche Sprachfassung nicht von Luther selbst stammt, kann diese Lübecker Bibel doch mit vollem Recht als Lutherbibel bezeichnet werden. Denn es handelt sich nicht um eine eigenständige Übersetzung aus den Ursprachen, sondern um eine wortgetreue Umsetzung der Lutherübersetzung in eine andere Varietät des Deutschen. Die Wortwahl und der Satzbau sind völlig gleich, die Unterschiede beschränken sich weitestgehend auf den Lautstand und die Orthographie. Selten zeigen sich auch morphologische Abweichungen (so etwa unten in Dtn 6, 6 ndt. bede gegenüber hdt. gebiete). Dies zeigt die folgende Gegenüberstellung der hochdeutschen und der niederdeutschen Fassung eines bekannten Textabschnitts aus dem 5. Buch Mose:

 

Dtn 6, 4–7 Luther hochdt. Wittenberg 1534

4 Höre Israel, der HERR vnser Gott ist ein einiger HERR, 5 vnd solt den HERRN deinen Gott lieb haben, von gantzem hertzen, von gantzer seele, von allem vermuegen. 6 Vnd diese wort, die ich dir heute gebiete, soltu zu hertzen nemen, 7 vnd solt sie deinen kindern scherffen, vnd dauon reden, wenn du jnn deinem hause sitzest oder auff dem wege gehest, wenn du dich nider legest oder auff stehest.

 

Dtn 6, 4–7 Luther niederdt. Lübeck 1533/34

4 Hoere Israel, de HERE vnse Godt ys eyn enich HERE, 5 vnd schalt den HEREN dynen Got leff hebben, van gantzem herten, van gantzer seele, van allem vormoege. 6 Vnde desse wort de ick dy hueten bede, schaltu tho herten nemen, 7 vnde schalt se dynen kindern scharpen, vnde dar van reden, wen du jn dynem huse syttest, edder vp dem wege geyst, wenn du dy nedder lechst edder vpsteyst.

 

Die enge Zusammengehörigkeit beider Fassungen zeigt sich noch deutlicher, wenn man denselben Text in einer erst 1522 in Halberstadt gedruckten niederdeutschen Version, der letzten vorlutherischen deutschen Bibel (noch aus dem Lateinischen übersetzt), daneben betrachtet: O hoere Israhel dyn here god ys eyn here god. Du schalt leeff hebben den heren dynen god van gantzen dynem herten, vnd van dyner gantzen sele, vnd van alle dyner sterke. Vnd werden duesse wort de ik dy huede ghebede yn den herten geues­tet. Vnd schalt se verkuendigen dynen kyn­deren, vnd schalt se betrachte(n) sittende yn de(m) hues, vnd wanderen an den wege. Du schlapest edder staest vp

(Biblia dudesch, Halberstadt 1522 = VD16 B 2839).

 

 Bugenhagen hat sein Vorwort auf den Dienstag der zweiten Osterwoche 1532 datiert. Zwei der Titelblätter zeigen als Erscheinungsjahr 1533 an, der Druck zog sich aber noch bis zum 1. April 1534 hin, denn dieses Datum steht in der Schlussschrift (dem Kolophon) des Druckers nach dem Ende des Neuen Testaments. Erst ungefähr ein halbes Jahr danach erschien in Wittenberg bei Hans Lufft das eigentliche Original, auf dem die niederdeutsche Fassung beruht, nämlich die erste Gesamtausgabe der Lutherbibel, die in fast allen Teilen von Luther selbst übersetzt und von ihm verantwortet wurde (= VD16 B 2694 = Pietsch A 50). Dieser Ausgabe ist ein Privileg des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich vorangestellt, das datiert ist Donnerstags nach Petri Ketenfeier, Anno 1534 (= 6. August 1534). Die Merkwürdigkeit, dass die niederdeutsche Umsetzung vor der hochdeutschen Vorlage herausgekommen ist, hat der Hamburger Hauptpastor und berühmte Bibelsammler Johann Melchior Goeze (1717–1786) treffend so kommentiert, dass hier die Henne vor dem Ei (gallina ante ovum) in Erscheinung getreten sei."

 

Die Nachfrage nach der niederdeutschen Bibelausgabe recht groß! In Wittenberg wurde diese Bibel mehrmals aufgelegt, obwohl dort niemand niederdeutsch sprach. Es war also eine "Export-Bibel".

 

In dieser Liste sind nur die Vollbibeln aus WITTENBERG in niederdeutscher Sprache aufgelistet (daneben gab es NT-Ausgaben, Psalter etc.).

 

1541  Luther-Bibel, Bugenhagen, Wittemberg, Verleger: Hans Lufft (WLB, Bb niederdt.154102)

1558  Luther-Bibel, Wittemberch, Verlag: Rhuwen (BSB, 2 Th B VII 57, VD 16 B 2846) 

1565  Luther-Bibel, Bugenhagen, Wittenberg: Rhau, Georg (Erben) (Uni Halle, VD16 B 2852)

1569  Luther-Bibel, Bugenhagen, Wittenberg: Lufft, Hans, (Uni Halle, VD16 B 2854)

1574  Luther-Bibel, Wittemberch, Verleger: Konrad Rühl (WLB, Bb niederdt.157401)

1585  Luther-Bibel, Bd.1, Wittemberch, Verleger: Hans Kraffts Erben (WLB, Ba niederdt.158501-1)

 

Ab 1599 erschien eine sprachlich leicht veränderte Version der Bugenhagen-Bibel

1599  Luther-Bibel, Wittemberch: Verlag: Lorentz Süberlich (BSB, Res/4 B.g.luth. 46 m, VD16 B 2863)

1607  Luther-Bibel, Wittemberch, Verlag: Lorenz Säuberlich (Google Books)

 

Die Wittenberger Bibeln waren nur für den Export bestimmt. Ein weiterer wichtiger Druckort war Magdeburg. Hier sprach man im Gegensatz zu Wittenberg auch niederdeutsch.

 

Eine Übersicht über die Drucke der niederdeutschen Bibel findet man -->HIER<--

 

Die letzte niederdeutsche Bibel im deutschen Sprachraum erschien 1621 bei den Sternen in Lüneburg. In rund hundert Jahren (1522-1621) hatte sich wegen der starken Verbreitung der Bibel von Martin Luther die sächsische Kanzleisprache als Schriftsprache durchgesetzt und somit gab es keinen Bedarf mehr nach niederdeutschen Bibeldrucken (freundlicher Hinweis von Dr. Schellmann, Lüneburg).

 

Von der Erstausgabe der Bugenhagen-Bibel 1534 sind weltweit nur noch circa 30 Exemplare in öffentlichen Sammlungen erhalten.

 

VD16 B 2840

 

Die noch selterne Ausgabe von 1565 können Sie in der Bibelausstellung von Alexander Schick  -->HIER<-- sehen

 

Zur Geschichte der niederdeutschen / plattdeutschen Bibeln siehe -->HIER<--

 

 

War Bugenhagen der Übersetzer?

Bei Diederich von Stade findet man diese Einschätzung: "Man hält insgemein dafür, daß die deutsche Bibel Lutheri von D. Joh. Bugenhagen, Pomerano, ins Nieder-Sächsische übersetzt sey: Woher aber solches zu beweisen, habe bisher keine Nachricht finden können: Wol aber, daß es von einigen Studiosis aus hiesiger Gegend, an der Weser bürtig, die bey des seligen Herrn Lutheri Zeiten in Wittenberg gelebet, und vielleicht, unter D. Bugenhagens Direction, geschehen sey." (In: Erläuter- und Erklärung der vornehmsten deutschen Wörter in Luthers Bibel-Übersetzung S. 17-18).

 

 

Das Ende der niederdeutschen Bibeldrucke

 

 Zitat aus dieser sehr informativen Webseite (leider sind allerdings einige Angaben fehlerhaft!)

"Der Abbruch des niederdeutschen Bibeldrucks (1623-1629) im Dreißigjährigen Krieg


Die niederdeutsche Bibel wurde bis in das 17. Jh. hinein regelmäßig neu aufgelegt. Die meines Wissens letzte niederdeutsche Vollbibel erschien 1623 [richtig 1621] während des Dreißigjährigen Krieges bei Johann Vogt in Goslar (Drucker) und Johannes und Hinrick Stern in Lüneburg (Verleger) ...

Der Dreißigjährige Krieg war 1618 in Böhmen ausgebrochen und griff 1620 auf Deutschland über. Teile Westfalens waren bereits seit der Schlacht bei Stadtlohn (1623) besetzt, es folgte die Besetzung von Teilen Niedersachsens durch kaiserliche Truppen infolge der Schlacht bei Lutter am Barenberge (1626). 1629 sah es kurzzeitig so aus, als ob sich die Partei des Kaisers endgültig durchgesetzt hätte Die Einmischung auswärtiger Mächte (ab 1630) beendete jedoch die Ruhepause und vergrößerte und verschlimmerte das Kriegschaos. Bei Kriegsende (1648) hatten sich weite völlig verwüstete Gebiete entwickelt, durch die man tagelang ziehen konnte, ohne einem Menschen zu begegnen.

 

Der schwedische Feldherr Johan Banér schrieb der Stadt Erfurt, die ihn um Hilfe ersucht hatte, 1639, dass er sie nicht auf direktem Wege erreichen könne, da das Gebiet zwischen Oder und Elbe zu verwüstet sei: "Ich würde euch schon lange zu Hülfe gekommen sein, wenn nicht zwischen der Oder und Elbe alles so verwüstet wäre, dass daselbst weder Hunde, noch Katzen, geschweige Menschen und Pferde sich aufhalten können. Durch solche Lande, die der Feind wegen Hungers und Jammers hat verlassen müssen, kann ich meine Armee nicht führen." (vgl. Vormbaum, 1837, S. 90).

 

Wittenberg und Magdeburg waren die Zentren des niederdeutschen Bibeldrucks gewesen."