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"NEUE SCHRIFTROLLE" VOM TOTEN MEER

WAS WURDE WIRKLICH GEFUNDEN? Hier finden Sie Hintergrundinformationen, um die Sensationsmeldung aus der Weltpresse richtig einordnen zu können.

Fotos 1-8 © Israel Antiquities Authority (IAA) / Fotos 5-8 von Shai Halevi © IAA / Foto 9 Alexander Schick mit freundlicher Genehmigung der IAA

 

 

NEUE FUNDE AM TOTEN MEER

 

Weltweit haben die Funde am Toten Meer in den letzten beiden Tagen für Schlagzeilen gesorgt

Sie finden --> HIER <-- ein ausgezeichnetes Video der Israelischen Antikenbehörde (IAA) zu den neuen Funden in Höhlen am Toten Meer.

TV-Bericht in IDEA -->HIER<--

 

Viele Meldungen erwecken den Eindruck, dieser neue Funde gehört zu den Qumran-Rollen.

ABER:

Die Fragmente gehören NICHT zu den Qumrantexten! Der jetzige Fundort – im Nahal (Wadi) Hever - liegt in der Nähe von Ein Gedi im Süd-Westen. Der Fundort ist rund 40 km entfernt von den Qumranhöhlen (Fotos 1-3, man beachte die Kletterer in Foto 2 und 3)

Dennoch zählt man die Funde aus dem Nahal Hever auch zu den „Schriftrollen vom Toten Meer“, wie alle Funde aus diesem Teil der judäischen Wüste beim Toten Meer benannt werden.

 

Handelt es sich um eine neue, bisher unbekannte Schriftrolle?

NEIN!

Die neugefundenen Fragmente gehören zur Zwölfprophetenrolle (8ḤevXIIgr) veröffentlicht von Prof. E. Tov in DJD 8 (Discoveries in Judean Desert von 1990).

 

Zu den zwölf kleinen Propheten zählt man:

(Hosea, Amos, Micha, Joel, Obadja, Jona, Nahum, Habakuk, Zefanja, Haggai, Sacharja, Maleachi). Diese wurden auf eine Schriftrolle geschrieben.

Es handelt sich um die griechische Übersetzung der hebräischen Bibel, der sog. Septuaginta (LXX). Der Gottesname JHWH ist auf paleohebräisch geschrieben (Foto 9, rote Markierungen)

 

Die Hintergründe der Entdeckung der Zwölfprophetenrolle

Die Zwölfprophetenolle wurde 1952 von Beduinen entdeckt (darunter das Fragment von Foto 9), die von Jordanien nach Israel eingedrungen waren. Der Oberlauf des Nahal Hever war von 1948-1967 in jordanischer Hand (Foto 1). Der Frontverlauf beim Krieg 1948 war oberhalb von Ein Gedi. Der Unterlauf des Nahal Hever war in israelischer Hand. Man war sich damals allerdings nicht sicher, aus welcher Höhle genau die Rolle kam, da dies die Beduinen natürlich nicht sagten.

Die Höhle des Schreckes (oder Höhle des Grauens / Fotos 1 + 2) wurde 1961 von Prof. Aharoni ausgegraben. Das war die große israelische Expedition bei der Prof. Yadin in der Höhle der Briefe (direkt gegenüber) das Babhata-Archiv und die Bar Kochba-Briefe entdeckte. Diese Texte stammen aus der Zeit des 2. jüdischen Krieges - dam sog. Bar Kochba-Aufstand von 132-135 n. Chr.)

Aharoni entdeckte dabei Fragmente dieser Rolle, die zur damaligen Zeit die Jordanier im (heutigen) Rockefellermuseum zur Bearbeitung liegen hatten.

Die Fragmente von Aharoni zeigten, dass die Prophetenrolle aus dieser Höhle des Grauens stammte (so benannt, weil Aharoni hier 24 Skelette aus der Zeit des Bar Kochba Aufstands entdeckte).

Bei den jetzigen Expedition wurde seit 2017 ein Gebiet von 80 Quadratkilometer untersucht (Fotos 1-4). Die Israelische Antikenbehörde unternimmt seit Jahren alle möglichen Versuche, um illegale Raubgrabungen zu verhindern. In den letzten Jahrzehnten waren die Beduinen bei der Entdeckung antiker Artefakte allerdings meist erfolgreicher. Daher wurde auch diese Höhle des Grauens im Nahal Hever nun also zum dritten Mal untersucht.

 

Fundergebnis:

80 kleine Fragmente, die zu der Zwölfprophetenrolle gehören (Fotos 5-8).

Text: Die Fragmente ergeben 11 Zeilen mit dem Text aus Sacharija 8,16-17 und Nahum 1,5-6 (Foto 7).

Das Besondere: Ein C14-Test an den Fragmenten ergibt das 2. Jh. n.Chr., also die Zeit des Bar Kochba Aufstands.

Eine der letzten Septuagintahandschriften überhaupt, die Juden für Juden angefertigt haben.

 

 

Die Bedeutung der Septuaginta:

Die Septuaginta war bereits zu dieser Zeit von vielen Juden abgelehnt worden, da in dieser Übersetzung für Messias das Wort Christus benutzt wurde. Und bei Jes. 7,14 wurde das Worte almah (zu Recht) mit Jungfrau übersetzt.

Dies lehnten viele Juden nun aber ab, da sie mit Jesus von Nazareth als dem Messias nichts anfangen konnten.

So wurden neue Übersetzungen geschaffen – Aquila und Symachus.

Um 135 n.Chr. schuf Aquila eine sehr wörtliche Übersetzung, die sich großer Beliebtheit in den jüdischen Gemeinden erfreute. Symmachus verfasste um 170 n.Chr. eine zweite Übersetzung ins Griechische und Theodotion erarbeitete am Ende des 2. Jh.s eine Revision der griechischen Bibel nach dem hebräischen Text. Nur fragmentarisch sind diese Übersetzungen auf uns gekommen (so z.B. in der Genizah von Kairo). Man kann sich leicht vorstellen, dass so viele Ausgaben und Revisionen geradezu verwirrend wirken mussten. Um dieser Verwirrung und der Textvielfalt entgegenzutreten, schuf der christliche alexandrinische Theologe Origenes (um 185–254 n.Chr.) ein gigantisches Werk, eine Riesenbibel, die Hexapla (= „die sechsfache“ Bibel).

 

ABER: Diese neuen griechischen Übersetzungen übersetzten Messias nicht mehr mit Christus und statt Jungfrau wurde junge Frau übersetzt. Klare Stellung gegen Jesus als den Messias.

Die Septuaginta (LXX) wurde dann nur noch von Christen abgeschrieben. Im Judentum wurde sie vollkommen abgelehnt und nicht mehr tradiert. Zu den berühmtesten „christlichen“ Abschriften der Septuaginta zählen der Codex Vaticanus und der Codex Sinaiticus, den der deutsche Handschriftenforscher Konstantin von Tischendorf 1844 und 1859 im letzten Jahrhundert (auf der Sinai-Halbinsel) im Katharinenkloster auf abenteuerliche Weise gefunden hat.

Wer sich für mehr interessiert:

Am Samstag 27.3.21 halte ich einen Seminartag via Zoom für das Bucerseminar -->HIER <--.

Dabei wird es am Vormittag um die Bedeutung der Septuaginta und den neuen Funden aus der judäischen Wüste gehen.

 

Warum ist dieser Fund so bedeutsam?

Zum ersten Mal seit 60 Jahren haben wieder Archäologen Rollenfunde in den Höhlen gemacht. Man kann nur hoffen, dass auch noch weitere Funde gelingen werden. Wer weiß, was in den Höhlen noch alles lagert? Hoffentlich berichten die Schlagzeilen der Weltpresse bald wieder von weiteren Höhlenfunden!

 

 

Auch bei den Qumranhöhlen ist eine neue Expedition geplant!

(siehe das Ende dieser Mitteilung von Prof. Randall Price)

Der Qumranforscher und Archäologe Prof. Dr. Randall Price hat in den USA einen Hintergrundbericht zu den Funden veröffentlicht, den ich hier auf Deutsch wiedergebe.

(Quelle --> HIER <--)

 

Neue Entdeckungen am Toten Meer in der Höhle des Grauens

Die Medienankündigung der Israelischen Antikenbehörde (IAA) bezüglich der Entdeckung von biblischen Schriftrollenfragmenten vom Toten Meer und anderen Überresten in der Höhle des Grauens in Nahal Hever kommt für Geschichts- und Bibelstudenten wie eine willkommene Offenbarung. Für diejenigen, die mit der Region des Toten Meeres und der Beziehung der kürzlich enthüllten Funde zu den berühmten Schriftrollen vom Toten Meer aus Qumran nicht vertraut sind, erlauben Sie mir bitte, sie aufzuklären.

 

Standorte der Schriftrollenhöhlen am Toten Meer

Entlang der Küstenlinie des Toten Meeres befinden sich natürliche Kalksteinbruchhöhlen, in denen seit den späten 1940er Jahren Schriftrollenfunde gemacht wurden. Diese Fundstellen verlaufen von Jericho im Norden bis Masada im Süden und umfassen diese und die von Qumran, Wadi Muraba'at, Wadi Sdeir, Nahal Hever und Nahal Se'elim. Die Höhle des Grauens, in der die jüngsten Entdeckungen gemacht wurden, befindet sich in Nahal Hever, etwa 25 Meilen südlich von Qumran. Wie viele der Höhlen in der Region wurde sie in der frühesten Antike genutzt und die Funde des mumifizierten Kindes und des großen geflochtenen Korbes repräsentieren diese Perioden (Natufian und Neolithikum). Die Schriftrollenfragmente hingegen stammen aus der Zeit des Zweiten Jüdischen Aufstandes unter Bar Kokhba (132-136 n. Chr.), als die Höhle genutzt wurde, um jüdische Soldaten und/oder Familien vor den Römern zu verstecken. Die Funde stimmen mit einer solchen Wohnhöhle überein, einschließlich der Fragmente von Bibeltexten, die sie in ihrem Besitz hatten.

 

Beziehung zu den Schriftrollen vom Toten Meer der Qumran-Gemeinschaft

Obwohl diese Texte "Schriftrollen vom Toten Meer" genannt werden, weil sie in einer Höhle in der Region des Toten Meeres gefunden wurden, sind sie nicht mit den Texten zu verwechseln, von denen Gelehrte glauben, dass sie von der jüdischen Gemeinschaft in Qumran gesammelt, produziert und aufbewahrt wurden. Diese letztere Gemeinschaft existierte vom Ende der späthellenistischen Periode bis zur herodianischen Periode (ca. 100 v. Chr. - 68 n. Chr.), eine Zeit, die aus jüdischer Sicht als die späte Periode des Zweiten Tempels bekannt ist. Die Höhlen, von denen man annimmt, dass sie Schriftrollen und Materialien enthalten, die mit der Qumran-Gemeinschaft in Verbindung stehen, befinden sich etwa eineinhalb Kilometer nördlich und südlich des Qumran-Plateaus. Die berühmten biblischen und sektiererischen Schriftrollen der Qumran-Gemeinschaft wurden von 1948-1956 im Norden gefunden und 2017 entdeckte mein Team eine neue Schriftrollenhöhle im Süden. Diese Entdeckung führte zu den erneuten Bemühungen der "Operation Scroll" der IAA, die Höhlen unmittelbar südlich von Qumran zu untersuchen und auszugraben. Die Schriftrollenfragmente, die in Nahal Hever gefunden wurden, stammen aus einer späteren Periode und einer anderen jüdischen Gemeinde. Jede Entdeckung antiker Manuskripte, insbesondere biblischer Manuskripte, ist eine unglaubliche Bereicherung unseres Wissens über antike Texte und das jüdische Leben und den Glauben, aber man muss unterscheiden zwischen dem spezielleren Fokus, den die Wissenschaftler auf die Literatur und die materielle Kultur von Qumran haben.

 

Die Stätte von Nahal Hever und die Höhle des Grauens

Am Kopf des Baches in Nahal Hever wurden zwei Höhlen aus der Bar Kokhba-Periode entdeckt, die "Höhle der Briefe" (wegen der Manuskriptfunde) und die "Höhle des Grauens" (weil 24 menschliche Skelette gefunden wurden). Diese Höhlen wurden 1953 entdeckt und in den frühen 1960er Jahren vermessen. 1999-2000 wurden sie von Richard Freund (heute Direktor des Zentrums für Judaische Studien an der Christopher Newport University) ausgegraben. Das IAA kehrte in den letzten Jahren an den Ort zurück, um die Ausgrabungen zu erneuern, was zu der neuen Bekanntgabe der Funde führte. Diese Wohnhöhlen zeigen anschaulich die verzweifelten Maßnahmen, die die Juden jener Zeit im Widerstand gegen Hadrians römische Vergeltung gegen den jüdischen Umsturz seiner Truppen in Judäa und die Rückeroberung Jerusalems ergriffen, ein Akt, der ihn schließlich dazu veranlasste, Jerusalem in Aelia Capitolina und Israel in Palästina umzubenennen und die Juden unter Androhung der Todesstrafe aus der Hauptstadt zu verbannen.

 

Die Bedeutung der neuen Funde

Abgesehen von dem historischen und religiösen Wert, den solche Funde für die akademische Gemeinschaft haben, ist diese Ankündigung eine ständige Erinnerung an die Schätze, die in den vielen Höhlen der Region um das Tote Meer verborgen sind, und an die dringende Notwendigkeit für Archäologen, diese Materialien zu bergen, bevor sie für immer an lokale Plünderer verloren gehen. Dies ist eine Verpflichtung unserer Organisation und anderer, die sich um die Bewahrung des Erbes der Vergangenheit kümmern, damit ihre Geschichte für zukünftige Generationen richtig und vollständig erzählt werden kann. Die Entdeckung der Schriftrollen vom Toten Meer ist eine der größten archäologischen Errungenschaften und einer der größten Beiträge zu historischen und biblischen Studien. Es besteht die Möglichkeit, dass in den kommenden Jahren noch viele solcher Entdeckungen gemacht werden, aber es ist buchstäblich ein Wettlauf gegen die Zeit, da lokale Plünderer weiterhin in dem Gebiet operieren und politische Veränderungen den Zugang zu diesen Stätten jederzeit einschränken könnten. Wir bitten um sofortige Hilfe, um die Mittel für die Fortsetzung dieser wichtigen Arbeit aufzubringen, damit unser Team im Januar 2022 zu den Höhlen in Qumran zurückkehren kann.

 

Sie können die Expedition unterstützen!

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