Psalterium Sancti Ruperti um 870 n.Chr.Große Buchkunst – unglaublich klein
Salzburg, Stiftsbibliothek St. Peter, Cod. A I. 0, Salzburg, 3. Viertel des 9. Jh. n.Chr.
Der Minipsalter aus dem MittelalterWie klein kann ein Buch wohl sein, dass man darin noch lesen kann? Heute, im Zeitalter computerunterstützter Drucktechnik, ist die Herstellung eines solchen Werkes keine große Sache mehr. Aber stellen Sie sich vor, Sie sollen auf Seiten, die kleiner sind als eine Zündholzschachtel, mit Ihren Händen einen lesbaren Text schreiben! Eine derartige Aufgabe scheint uns heutzutage fast unmöglich. Dennoch finden sich in den Beständen einiger Bibliotheken Codices, deren Format unvorstellbar klein ist: Eine dieser kostbaren Seltenheiten ist das Psalterium Sancti Ruperti aus der Bibliothek des Stiftes St. Peter in Salzburg.
Wurzeln bis ins 7. JahrhundertDie Handschrift wurde im dritten Viertel des 9. Jh.s, vermutlich in Nordost-Frankreich, geschrieben. Der Besitzvermerk »Manuale psalterii sancti Rudberti episcopi« auf der ersten Seite des Codex aus dem 15. Jahrhundert ist der älteste Beweis dafür, dass die Handschrift im Besitz von St. Peter in Salzburg war. Dieses heute älteste Kloster des deutschsprachigen Raumes wurde vom St. Rupert im Jahr 696 n.Chr. übernommen – inwieweit unser Psalterium Sancti Ruperti auf ihn direkt zurückzuführen ist, kann bis heute nicht genau festgestellt werden. Dennoch erlaubt es uns diese einzigartige Handschrift, bis in die Frühzeit der Christianisierung des Nordalpenraumes zurück zu sehen.
Höchste Kunstfertigkeit auf kleinstem RaumAuf fol. 2r stellt das Autorenbild KÖNIG DAVID mit einer Winkelharfe dar (siehe Foto). Natürlich fehlt auch in diesem karolingischen Psalter nicht die Beatus vir-Initiale (Glücklich der Mann, der nicht im Rat der Gottlosen sitzt) sowie ein mit Goldtinte auf Purpurgrund geschriebenes Incipit („es beginnt“) zum Psalter. Rubrizierte Überschriften in Capitalis Rustica und goldene Kapitalbuchstaben machen die Psalm- und Versanfänge erkennbar – einzelne Partien des Textes in Goldschrift auf Purpurhintergrund und goldene Initialen zu den Psalmen 1, 51 und 101 lassen den Auftraggeber dieser Handschrift im kaiserlichen Umfeld vermuten. Der Textcorpus wurde in karolingischer Minuskel niedergeschrieben.
Eine seltene Bindung – einzigartig im MittelalterEine buchbinderische Besonderheit ist der offene Rücken des Codex, wodurch die beiden Bünde mit den Heftnähten und die beiden Kapitale sichtbar werden. Diese seltene Bindung stammt aus dem Spätmittelalter. Es wurde bisher kein zweiter frühmittelalterlicher Codex in dieser Ausstattung gefunden; so wird dieser Psalter zu einem Unikum der Buchherstellung des 9. Jahrhunderts.
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