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Die Alkuin-Bibel um 800 n.Chr.

Die Bibelrevision unter Karl dem Großen

Textseite mit 1. Mose aus der ältesten vollständig erhaltenen Alkuin-Vollbibel,

geschrieben kurz nach 800 im Martinskloster in Tours. Handschrift Nr. 75, Stiftsbibliothek St. Gallen. Diese Bibel entstand zur Zeit des Bilderstreits (Ikonoklasmus) und ist daher nicht illustriert bis auf die Kanontafeln und die Initiale zur Genesis.

Foto aufgenommen in der Ausstellung von Musée jurassien d'art et d'histoire in 2800 Delémont (Schweiz)

 

 

Die Bibel von Alkuin

um 800 n.Chr. - St. Gallen Stiftsbibliothek

Codex Sangallensis 75

 

 

Zu den wichtigsten Persönlichkeiten am Hofe Karls des Großen (747-814) gehörte der angelsächsiche Gelehrte Alkuin (735-804), den der König bei einer Gesandschaftsreise nach Rom im Jahre 781 kennenlernte. Alkuin wurde nicht nur Lehrer der königlichen Familie sondern auch Leiter der Hof- und Palastschule Kalrs des Großen. Er wurde so der "Kulturminister" im fränkischen Reich, der eine Bildungsreform initiierte. 787 erging das Rundschreiben "De litteris colendis", in dem gefordert wurde:

 

"Die Bischöfe sollen in ihren Pfarreien sorgfältig die Priester prüfen, ihren Glauben, ihre Taufen und Messfeiern, dass sie den rechten Glauben haben und die katholische Taufe  beachten und die Messgebete wohl verstehen, und dass die Psalmen würdig nach den Unterteilungen der Verse gesungen werden, und dass sie das Vaterunser verstehen und predigen, dass es alle verstehen, damit jeder weiss, was er von Gott erbittet…
 

An die Priester: Dass sie nicht nur Kinder von niedriger Herkunft um sich versammeln und ausbilden sollen, sondern auch Söhne von Freien und Vornehmen. Wir wollen, dass Leseschulen für Knaben entstehen. Verbessert sorg fältig Psalmen, Kurzschrift, Gesänge, Texte zur Zeitrechnung, Grammatik und die katholischen Bücher in den einzelnen Klöstern oder Bischofssitzen! Denn oft, wenn manche Gott auch gut bitten wollen, bitten sie doch schlecht aus unver besserten Büchern. Und eure Knaben, lasst die nicht beim Lesen und Schreiben den Text verderben; vielmehr, wenn es nötig ist, ein Evangelienbuch, Psalterium und Mess buch zu schreiben, sollen Erwachsene mit aller Sorgfalt schreiben."

Karl der Grosse, Admonitio generalis vom 23. März 789, Kap. 70, 72 (Codex Sangallensis, Nr. 733, S. 15–64, zitiert nach:Ausstellungskatalog Stiftsbibliothek St. Gallen, Karl der Grosse und seine Gelehrten, 2004, S.8).

 

796 wird Alkuin (nicht ganz freiwillig) Abt der Abtei St.Martin in Tours, die sich unter seiner Leitung zu einer der führenden Bildungsstätten im Reich Karls des Großen entwickete. Alkuin liess die Vulgata (lateinische Bibel von Hieronymus) revidieren und schuf somit eine Art Mastertext der lateinischen Bibel. Er schuf mit seiner Bibelrevision einen grammatikalisch und orthographisch korrekten Text. Im Skriptorium von Tour entstand so die "Alkuin-Bibel", die auch "touronische Bibel" genannt wird, 

 

Die Bibel wude zusammenhängend abgeschrieben, so dass diese Vollbibeln alle Bücher des Alten und Neuen Testaments enthalten (sog. Pandekten). Die Bibel in einem einzigen Band war zu der Zeit ungewöhnlich, denn meistens hatte man die Bibelabschrift auf mehrere Bände verteielt. Die Alkuin-Bibeln sind daher voluminös und schwergewichtig. 

 

Die älteste vollständige Alkuin-Bibel aus dem Martinskloster in Tours wird als Handschrift Nr. 75 in der Stiftsbibliothek St. Gallen aufbewahrt. Diese Vollbibel hat die unglaubliche Größe von 54 x 40 cm und wieg fast 20 kg!

 

Weihnachten 801 schenkte Alkuin so eine revidierte Bibel im Riesenformat seinem Herrscher und fertigte in der Folge weitere Bände für sich und für andere Klöster an. Diese verschenkten meist die Mitglieder des Herrscherhauses an die Klöste, die auf diese Weise eine ausgezeichnete Fassung der Vulgata bekamen und danach ihre Bibelhnandschrfiten verbessern konnten.

 

Der Bibeltext Alkuins verbreitete sich weit, nicht zuletzt dank frühmittelalterlicher 'Fliessbandproduktion': Ab etwa 800 bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts, als die Wikinger Tours überfielen und das Kloster niederbrannten, entstanden im Skriptorium von St. Martin etwa zwei Bibeln pro Jahr. Eine solche Massenproduktion erforderte nicht nur riesige Schafherden – pro Band mit rund 840 Seiten etwa 210 Schafe – sondern auch eine ausgeklügelte Arbeitsteilung unter bis zu zwanzig Schreibern. Jeder Schreiber kopierte eine Lage von Pergamentblättern, so dass an mehreren Stellen einer Handschrift gleichzeitig gearbeitet werden konnte. Dass es nicht immer einfach war, den vorgesehenen Plan einzuhalten, sieht man daran, dass die Schreiber am Lagenende mitunter die Buchstaben zusammendrängen oder auseinanderziehen mussten, um die Lage genau zu füllen."

Ausstellungskatalog Stifstbibliothek St. Gallen, Im Anfang war das Wort, 2013, S. 26.

 

Neben der Alkuin-Bibel in St. Gallen sind noch 17 weitere vollständige "Touroner-Bibeln" erhalten, davon alleine sieben in der Bibliothèque Nationale in Paris. 28 weitere Exemplare sind leider nur noch unvollständig erhalten.

 

Wie oben erwähnt, wurden für das Pergamnet einer Alkuin-Bibel die Häute von über 200 Schafen benötigt. Die Tourer-Vollbibeln haben je nach Größe zwischen 200 bis 225 großformatige Pergamentblätter. Jedes Schaf lieferte lediglich ein Doppelblatt (sog.(Bifolium mit vier Seiten). Um das Kloster Tour herum muss es eine ganze "Industrie" in Sachen Bibelproduktion gegeben haben: Schafzucht zur Pergamentherstellung, Tintenherstellung, viele Schreiber und einige Buchbinder - sie allen wurden zur Bibelherstellung benötigt. Das Pensum muss gewaltig gewesen sein. Es wundert einen nicht, wenn so manch ein Schreiber über seine Arbeit stöhnte.

 

Experten schätzen, dass in Tour jedes Jahr zwei bis drei dieser gewaltigen Alkuin-Bibeln das Skriptorium verliessen. Für das nächste halbe Jahrhundert wurden die Alkuin-BIbeln der Masstab für die Vulgataausgaben. Mit Abklingen des Bilderstreits wurden diese Bibeln auch bebildert.

 

Als die schönste Riesenbibel diese Art gilt die Bibel von Moutier-Grandval (heute British Library).

Vom 08.03.2025 - 08.06.2025 wird diese einzigartige Bibel neben der Alkuin-Bibel im Musée jurassien d'art et d'histoire in 2800 Delémont (Schweiz) gezeigt. Allerdings muss man Tickets vorbestellen!

 

 

Über alle Alkuin-Bibeln muss man urteilen: Sie sind Monumente der Bibelphilologie aber auch der Schriftgeschichte (karolingische Minuskel) und vor allem auch der Buchgestaltung. 

 

Eine gute Übersicht über die Geschichte und Bedeutung der Alkuin-Bibel -->HIER<--