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1528 Biblia Latina von Sanctes Pagninus - Grundlage vieler evangelischer Bibelübersetzungen

Lateinische Bibelübersetzung - unabhängig von der Vulgata

 

Die lateinische Bibel von Pagninus wird die "Vulgata" der Reformatoren

Habes in hoc libro prudens lector utriusq(ue) instrumenti novam tranlatione aeditam a reverendo sacre theologiae doctore Sancte pagnino lucesi concionatore apostolico Praedicatorii ordinis

Lugduni [Lyons]:

Antoine Du Ruy für F. Turchus, D. Berticinius und J. De Giuntis

gedruckt 29. Jan. 1528 in Lyon

Im 16. Jahrhundert erschienen mehrere neue lateinische Übersetzungen der Bibel aus den hebräischen und griechischen Originaltexten. Die bedeutendste und früheste Version war die des italienischen Dominikaners Sanctes Pagnini (1470-1536), der das Übersetzungsprojekt um 1493 begann. Er war als Lehrer für Griechisch und Hebräisch nach Rom berufen worden. Die Übersetzung hatte er vor 1520 fertiggestellt und zeigte sie in dem Jahr Papst Leo X. Dieser verlangte eine Revision des Textes und sollte auf seine Kosten gedruckt werden. Pagninis Übersetzung wurde 1528 mit Empfehlungsschreiben veröffentlicht, die dem Text Privilegien zusprachen, darunter ein Brief des Renaissance-Philosophen Pico della Mirandola. Diese Bibel von 1528 ist der Erstdruck von Pagninis Übersetzung; eine Version, die für ihre Nähe zu den Originalsprachen geschätzt wurde. Pagnini wurde vom Reformator Martin Luther wegen übermäßigen Literalismus und „jüdischer Gelehrsamkeit“ kritisiert. Diese Nähe zum Hebräischen wurde von jüdischen Gelehrten positiv aufgenommen, die Pagninis Übersetzung als die einzig adäquate christliche lateinische Bibelversion beurteilten.

Pagninis BIbel stand bei vielen evangelischen Bibelübersetzungen in die jeweigligen Landessprachen Pate. So bei der französischen von Olivetan.

 

Pagninus’ Übersetzung war bemerkenswert wörtlich, sodass seine Bibel trotz seines uneleganten, ja sogar groben Stils mehrmals nachgedruckt wurde. Obwohl sie genauer als die Vulgata und daher für andere Übersetzer, die Hilfe mit Hebräisch oder Griechisch benötigten, nützlicher war, sollte Pagninus’ Version die Vulgata nur für rein wissenschaftliche Zwecke ersetzen; heute ist sie vor allem von historischem Interesse.

 

Pagninis Entwurf gehörte zu den ersten Versuchen, eine Bibel mit standardisierten Versnummern zu drucken. Die Nummerierung war jedoch unregelmäßig; es gab einen separaten Abschnitt für die Apokryphen und Verse mit stark unterschiedlichen Längen. Pagninis Nummerierungssystem wurde schließlich zugunsten des vom französischen Bibeldrucker Robert Estienne entwickelten Systems aufgegeben. Die sorgfältig kommentierte und nummerierte Pagnini-Bibel zeigt die Ikonographie des Textes als fortschrittliches wissenschaftliches Unterfangen und nicht als unveränderliches dogmatisches Dokument.

 

 

Auszug aus https://www.biblicalcyclopedia.com/P/pagninus-sanctes.html

Er veröffentlichte 1528 in Lyon „Veteris et novi Testamenti nova translatio“, ein Werk, das dreißig Jahre Arbeit in Anspruch genommen hatte und das auf Kosten Leos X. veröffentlicht worden wäre, hätte dieser die Fertigstellung noch erlebt. Im Vorwort beschreibt er ausführlich, wie viel Sorgfalt er darauf verwendet hatte, das Werk perfekt zu machen. Es ist die erste lateinische Bibel, in der die Verse jedes Kapitels wie im Original unterschieden und nummeriert sind, und sie ist bemerkenswert wegen der extremen Genauigkeit, mit der das Lateinische dem hebräischen Idiom folgt und dessen Form annimmt. Richard Simon wirft ihm dies als Fehler vor, da es seine Sprache nicht nur „obskur und barbarisch“ mache, sondern manchmal auch den Sinn des Originals verändere. Servetus veröffentlichte 1642 in Lyon eine Folioausgabe dieses Werks, das er mit seinen eigenen Fehlern infizierte. Die Ausgabe von Arias Montanus in der Antwerpener Polyglotte übertreibt die Besonderheiten seines lateinischen Stils. Dennoch waren die Ausgaben von 1599 und 1610-13 in 8vo, die eine interlineare und wortwörtliche Übersetzung des Hebräischen mit den Vokalpunkten enthalten, eine praktischste hebräische Bibel für jeden Bibelübersetzer.

 

 

Auszug aus dem Ausstellungskatalog "Gottes Wort in der Sprache des Volkes: Luthers Bibel und andere Bibelübersetzungen in Drucken des 15. und 16. Jahrhunderts", Trier 2017.

 

"... Der Titel ist unscharf gefasst. Der Zusatz iuxta germanam Hebraici idiomatis proprietatem („getreu nach dem hebräischen Wortlaut“) bezieht sich nur auf das Alte Testament (zu dem kleinere Teile auf Aramäisch gehören), aber auch das Neue Testament hat Pagnini aus der Ursprache, in diesem Fall dem Griechischen, übersetzt.

 

Eine Eigenart seiner Übersetzung, die schon von Zeitgenossen kritisiert wurde, besteht darin, dass er die Personen- und Ortsnamen, soweit die lateinische Phonetik dies zulässt, in ihrer hebräischen bzw. aramäischen Form wiedergibt, z. B. Moseh (statt Moses), Iehosuah (Josue), Sedom (Sodoma), Ischac (Isaac), Iesahiahu (Isaias). Im Neuen Testament widerspricht dies nicht nur der Tradition abendländischer Bibelübersetzungen, sondern auch den Formen der Eigennamen im griechischen Original. Mt 2, 1 etwa lautet bei Pagnini: Qvm autem natus esset Iesuah in Bethlechem Iehudah in diebus Herodis regis, ecce magi ab oriente aduenerunt Ierusalaim, dicentes („Als aber Jesus in den Tagen des Königs Herodes zu Betlehem in Juda geboren wurde, siehe, da kamen Magier aus dem Osten nach Jerusalem und sagten“). 

 

Trotzdem wurde Pagninis Version wegen ihrer strengen Wörtlichkeit gegenüber den Vorlagen oft nachgedruckt und für viele Übersetzungen in moderne Sprachen herangezogen".

 

Wie eine katholische Bibelausgabe zur Grundlage vieler evangelischer Bibelübersetzungen in den Landessprachen wurde  —> Artikel <—
 

Pagninis Bibelübersetzung und die Antwerpener Polyglotte —> Hier JWO

Seitenblick:

Wenig bekannt ist auch die lateinische Bibel von Sebastian Castellio (1515–1563), dem Anhänger Calvins, der sich mit diesem endgültig wegen der Verbrennung Michel Servets als Ketzer (1553) entzweite und durch seine der religiösen Toleranz verpflichtete Schrift „De haereticis“ bleibende Bedeutung erlangte. Seine Übersetzung der Gesamtbibel, die erstmals 1551 in Basel erschien (= VD16 B 2627), wurde noch im 18. Jahrhundert wiederaufgelegt.

 

 

 

Adams B1008; Darlow & Moule 6108; Heitzmann, Lat. Bibeldr., D361

 

05/25 UXX plus