Kopfbild

1588 Genfer Bibel auf französisch

Die reformatorischen Bibeln aus der Schweiz und die Geschichte der französischen Bibel

Genfer Bibel auf französisch 1588

von Johannes Calvin

gedruckt von Jérémie Des Planches

 

La Bible, qui est toute la saincte Escriture du Vieil et du Nouveau Testament : Autrement, l'Anciene et la Nouvelle Alliance. Le tout reveu et conferé sur les textes hebrieux et grecs par les Pasteurs et professeurs de l'Eglise de Geneve

 

Auf Deutsch:

Die Bibel, d. h. die gesamte Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments: Das heißt, der Alte und der Neue Bund. Das Ganze überarbeitet und auf den hebräischen und griechischen Text übertragen von den Pfarrern und Professoren der Genfer Kirche

 

 

-------------------------------------------

 

 

 

 Zur Geschichte der französischen Bibeldrucke 

 

Zeitgleich wie Martin Luther arbeitete Jacques Lefèvre d’Étaples an der Übersetzung des Neuen Testaments, allerdings auf Grundlage der VULGATA, der lateinischen Bibel. Als er 1523 sein Neues Testament veröffentlichte, wurde er von der Sorbonne, die die alleinige Deutungshoheit beanspruchte, zum Ketzer erklärt.

 

1530 erschien seine vollständige Bibel, also noch vier Jahre vor Luthers Vollbibel. Auch hier war wieder die Vulgata die Textgrundlage. Lediglich im Neuen Testament hatte er an 59 Stellen den Text der Vulgata  nach der Ausgabe des Erasmus übesetzt. Der Titel lautete: „La Sainte Bible en français, translatée selon la pure et entière traduction de Saint-Hierosme“ („Die Heilige Bibel in Französisch, übersetzt nach der reinen und vollständigen Übersetzung des heiligen Hieronymus“). Diese Ausgabe musste in Antwerpen gedruckt werden, da das französische Parlament Bibelübersetzungen verbot, die im Verdacht standen, die reformatorische Bewegung zu fördern.

 

Lefèvre hatte wie Luther den Wunsch, dem Volk die Heilige Schrift zugänglich zu machen. Er schrieb: „Aussi maintenant le temps est venu que notre Seigneur Jésus-Christ … veut que son évangile soit purement annoncé par tout le monde“ (auf deutsch: „nun ist also die Zeit gekommen, dass unser Herr Jesus Christus … will, dass sein Evangelium von allen rein verkündigt wird“). Sofort nach Erscheinen wurde die Bibel vom Pariser Parlament verboten!

 

Die Fa­kultät von Louvain behielt allerdings nach dem Konzil von Trient (1545-1563) die Übersetzung von Lefèvre bei. Aber es wurden die Änderungen im Neuen Testament rückgängig gemacht und man liess nur den Text der Vulgata gelten.

 

 

Louis Olivier, besser bekannt als Pierre Robert Olivetanbrachte 1535 die berühmte  Bible d'Olivetan heraus (gedruckt in Serrières bei Neuchâtel in der Schweiz). Olivetan benutzte dabei südfrazösische Übersetzungen der Waldenser, sowie die Luther-Bibel und er legte bei der Übersetzung des Alten Testaments den hebräischen und aramäischen Text zu Grunde. Das Neues Testament war aber „nur“ eine Revision der Übersetzung von Jacques Lefèvre d'Etaples.

 

Allerdings war der Erfolg dieser Erstausgabe der Olivetan-Bibel, anders als bei der Luther-Bibel 1534 in Deutschland, nur gering! Die gotische Schrift hat keine Akzente. Sie war nur schwer lesbar und das grosse Folio-Format war ein weiterer Stolperstein bei der Verbreitung.

 

Dennoch hatte diese Bibelausgabe eine enorme Bedeutung in der Reformationszeit, denn sie wurde DIE Bibel der Hugenotten, der franzöischen Protestanten, die Calvinisten waren und brutal verfolgt wurden (Bartholomäusnacht).

 

Johannes Calvin, ein Vetter von Olivétan und berühmter Reformator aus Genf, arbeitete von 1540 bis 1560 unermüdlich  an der französischen Bibelübersetzung weiter, denn er fand die Übersetzung von 1535 „unbeholfen und bisweilen vom allgemeinen und anerkannten Sprachgebrauch abweichend.“ Jede Revision hat daher wieder anderen Wortlaut.

 

1540 erschien seine revidierte Version: die „Bible a l'epee“ (Die „Schwert-Bibel“, so benannt, da auf dem Titelblatt ein Schwert abgebildet ist mit dem Verweis auf Hebräer 4,12: „Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist“). An dieser Schwert-Bibel arbeiteten neben Johannes Calvin auch Théodore de Bèze mit. Da nicht mehr gotische, sondern römische Schriftzeichen verwendet wurden und die Bibel ein handliches Format hatte, führte dies zu einer starken Verbreitung der Bibel, die heute allerdings zu den seltensten Bibeldrucken der Welt gehört. Nur 16 Exemplare sind in öffentlichen Bibliotheken bekannt!

 

1546 brachte Calvin erneut eine überarbeitete Revision heraus. Calvins Überarbeitung für diese Ausgabe betraf hauptsächlich das Alte Testament und die Apokryphen. Beim Neuen Testament übernahm er seine letzte Version.

 

1551 erschien ein weitere Ausgabe dieser Bibel. Da die Protestanten in Frankreich verfolgt wurden und keine Bibel im Inland drucken konnten, waren diese und alle folgenden Bibeldrucke aus Genf von größter Wichtigkeit für die reformierte Kirche in Frankreich! Aber auch englische Bibeln wurden hier gedruckt!

 

Der aus Paris nach Genf geflüchtete berühmte königliche Drucker Robert Estienne war 1550 zum Calvinismus übergetreten. 1551 brachte er ein griechisches Neues Testament heraus, indem er die Kapitelnummerierung von Langton und die Verszählung von Santes Pagnini übernahm und so die bis heute gültige Einteilung des Neuen Testaments und dann der Bibel schuf. 1552 veröffentliche Estienne ein erstes lateinisch-französisches Neues Testament mit der Versnummerierung von 1551. 1553 folgte dann die erste französische Vollbibel mit durchgängiger Versnummerierung. Der Text des Alten Testaments wurde in den folgenden 35 Jahren der „Standardtext“ für alle Ausgaben der Genfer Bibeln bis zur großen Revision von 1588.

 

Die Folioausgabe Estienns's von 1560 wurde die eigentliche Bible de Genève - Genfer Bibel. Auf ihrem Titelblatt befand sich das Signet Estiennes: ein Ölbaum so wie ein Banner mit der Devise: „noli altum sapere“, zu deutsch: „sei nicht stolz“. Dies bezieht sich auf Römer 11, wo die Heidenchristen vor Überheblichkeit gewarnt werden. Von Estiennes Bibel wurden ca. 1000 Exemplare gedruckt. Sie kostete nur 30 Sols, das entsprach ungefähr dem Wochenlohn eines Baumeisters oder Zimmermanns und war daher recht preisgünstig. Aber auch der Verkauf dieser französisch-reformierten Bibel war im katholischen Frankreich strikt verboten!

 

Diese französische Genfer Bibel darf man nicht mit der zeitgleich ebenfalls in Genf gedruckten englischen Geneva-Bible verwechseln, die stark von der franzöischen Durckausgabe beeinflusst war. Genf war DER Zufluchtsort im 16. Jahrhundert für die protestantinischen Glaubensflüchtlinge calvinistischer Prägung!

 

 

 

1588 erschien die oben abgebildete Genfer Bibel, die eine komplette Neuübersetzung darstellte.  Gegenüber Olivétans erster Version von 1535 ist fast jeder Vers sprachlich verbessert worden. Diese gründliche Überarbeitung dauerte insgesamt sechszehn Jahre und wurde von Théodore de Bèze mit den Pastoren und Professoren der Kirche von Genf durchgeführt (Pasteurs et Professeurs de l’Eglise de Genève). Diese Bibelausgabe hat also sprachlich nur noch eine lose Verbindung zur ursprünglichen „Bible d'Olivetan“.

 

Diese Ausgabe ist - wie schon die Ausgabe von 1560 - nur spärlich illustriert, da Calvinisten gegen Bilder eingestellt waren. So werden nur Bauwerke oder Gegenstände dargestellt, die sich der Leser sonst kaum vorstellen kann. Auf dem Foto oben ist die Bundeslade und der Schaubrottisch aus dem Tempel zu sehen. Der Tempel aus der Vision des Propheten Heskiel ist auf einem doppelseitigem Plan dargestellt (Bild Mitte). Das Neue Testament enthält keine Bilder.

 

Der Bibel beigebunden ist am Ende ein in Reimen gefasste Psalter von Clément Marot und Théodore de Bèze (Bild unten). Dieser diente den Hugenotten seit 1562 als Gesangbuch. Nur der Psalter als gesungenes Gotteswort war im Gottessdienst zugelassen, da die Hugenotten sonstige Kirchenlieder ablehnten.

 

Diese Genfer Bibel wurde im 17. Jahrhundert unver­ändert nachgedruckt, allerdings war das Französisch schwerfällig und erst Ende des Jahrhunderts gelang es David Martin, dieser inzwischen praktisch unleserlich gewordenen Bibel neues Leben einzuhauchen. Seine Bibelausgabe 1724 erlebte dann 1744 eine Revision durch den Neuenburger Frederic Ostervald und wurde bis Ende des 19. Jahrhunderts benutzt.

 

1880 erschien die Übersetzung des Genfer Pfarrers Louis Segond. Sie wurde dann zur neuen evangelischen Bibel der Franzosen im 20. Jahr­hundert.

 

Die vielen Revisionen der Olivetan-Bibel zeigen die großen Probleme auf, die diese Bibelübersetzung hatte. Sie war in keiner Weise so sprachschön, wie die Luther-Bibel! Daher hatte die französische Bibel nur einen geringen Einfluss auf die Sprachentwicklung im Frankreich. Ganz anders als bei der Luther-Bibel, die die deutsche Sprache maßgeblich mit geformt hat oder bei der Geneva-Bibel oder King James Bibel, die die englische Sprache beeinflusst hat. Ein Experte für französischen Bibelausgaben urteilte: „Die französischen Übersetzer wollten die 'hei­lige Bibel' mit einem Französisch beehren, das auf Höhe der zu übersetzenden Ursprachen war. So haben sie sich stilistische Ansprüche auferlegt, die einen für den Durch­schnittsmenschen schwer lesbaren Text ergeben haben“.

 

Die Geschichte der französisch-reformierten Bibeldrucke wäre unvollständig, wenn man nicht den Widerruf des Toleranzediktes von Nantes durch König Ludwig XIV im Jahre 1685 erwähnen würde. Denn ab diesem Zeitpunkt war der Protestantismus im katholischen Frankreich verboten! Viele Hugenotten flohen aus Frankreich (z.B. nach Genf, Berlin und Brandenburg - Postdamer Toleranzedikt). Wer blieb, musste untertauchen. Aus dieser Zeit stammen die sog. Haarknotenbibel und Hugenottenspiegel. Der reformatorische Glaube konnte nur noch im geheimen Untergrund gelebt werden.

 

Zur Geschichte der katholischen Bibelausgaben in französicher Sprache siehe --> HIER

 

 

 

Zur Genfer Bibel auf Französisch von 1588

 

Digitale Ausgabe --> HIER <--

 

 

Enthält auch die Psalmen Davids in Reimform, die Form der kirchlichen Gebete, den Katechismus und das Glaubensbekenntnis in 40 Artikeln.


In Deutschland ist diese Quartausgabe nur in den Bibliotheken von Berlin, Halle, Würzburg, Stuttgart und München nachweisbar.

 

Vier Ausgaben erschienen in 1588, eine in-2° (GLN 1022), zwei weitere in-4° (GLN 1023 und GLN 1025) und die letzte in-8° (GLN 1024). Bei den Quarto-Ausgaben endet die dritte Zeile des Titels auf „SAIN-“ oder „SAIN“, die andere hat keinen Wortbruch bei „SAINCTE“.

 

Bibliografische Referenz

GLN-1025 ; Adams B1151, Cambridge, A 1152 ; CDM, p. 122 ; Chambers, French Bibles 15-16th, n° 517 ; Peach, Cat. Poitiers, n° 186

 

Kollation: *8 az AZ Aa-Ll8 : A-M8 N6 : AA-RR8 : AAa-KKk8, Titel mit Holzschnitt-Druckermarke, 11 eingelegte meist gefaltete Holzschnitttafeln und Pläne (? von 13, nach Adams), darunter ein großer Faltplan (Tempel des Hesekiel), Ll8, N6 und RR8 blanko, Geneva 1588.

 

Eine ausgezeichnete Webseite zu dieser Bibelausgabe bietet die Lippische Landesbibliothek unter dem Titel „Die Genfer Bibel der französisch-reformierten Hugenotten“

 

 

Eine besonderer Dank geht an meinen Kollegen - dem grossen Kenner der ältesten Bibeldrucke - Reinhard Gerber, der diese und andere Bibeln wunderbar für die Bibelausstellung aufbereitet hat, so dass diese Exemplare nun gezeigt werden können. HERZLICHEN DANK!!